Hier hat Brad Pitt geschlafen Berliner Hotels sollen Lebensgefühl vermitteln Berlin ist Pflicht. Wer etwas auf sich hält, sollte regelmäßig in die schillernde Hauptstadt fahren. Dort kann man aus immerhin 90 000 Hotelbetten wählen, die Zahl der Übernachtungen steigt in immer neue Rekordhöhen und lag vergangenes Jahr bei 16 Millionen. Nirgends in Deutschland sind in den vergangenen 15 Jahren mehr neue Hotels entstanden. Mehr Fünfsternehotels gibt in Deutschland nirgends, die Zimmerpreise sind immer noch mit die günstigsten im Vergleich unter großen europäischen Städten. Natürlich haben große Ketten ihre Häuser hier eröffnet. Es gibt eine schier endlose Reihe nahezu baugleicher Schlafzellen mit grün, blau, rot oder orange gemusterten Teppichen und nivellierter Nässzelle. Aber es gibt auch Häuser, die eine ganz bestimmte Gruppe von Gästen anziehen, weil sie für deren Lebensgefühl stehen - und das ist nicht immer abhängig vom Geldbeutel. Es soll ja Menschen geben, welche die Vorstellung euphorisiert, ihr Haupt einmal auf demselben Bett zu betten wie Brad Pitt. Nun, zeitgleich mit dem Hollywoodstar wird das schwierig werden, obwohl Angelina Jolie ja andererseits nicht sooo viel Platz weg nimmt. Wer aber nicht gleich den Mut zum Groupiesprung in die Besucherritze hat, der kann zumindest mühelos nach Brad in dessen Kissen kuscheln - und muss dafür auch weder nach Kambodscha noch nach Los Angeles oder New Orleans fahren. Es reicht ein Ticket nach Berlin. In der Knesebeckstraße, einer ruhigen, mittelschicken Seitenstraße des Ku'damm liegt das Designhotel Q!. Das Haus ist nicht das im klassischen Sinne erste am Platze. Aber seit geraumer Zeit schon gilt es mit seinen kursiv gestellten Möbeln, die aussehen wie eine Mischung aus Raumschiff Orion und Duravit-Werbung, als extrem hip. Das Brad und Angelina. Die beiden US-Stars trieb das Wissen hierher, dass die lnnengestaltung vom Berliner Architekturbüro Graft stammt - die deutschen Planer mit Büro in Los Angeles sind gute Freunde des architekturinteressierten Schauspielers Pitt und haben auch sein Haus in L A. entworfen. Mag sein, dass man bei Graft inzwischen ein wenig genervt reagiert, wenn man als „Brad Pitts Architekten" bezeichnet wird. Dem Hotel Q! allerdings verhalf das zu großer Popularität. Angetan mit großer Sonnenbrille, cooler Lederjacke und mindestens einem Adoptivkind auf der Hüfte kann man hier also das Lebensgefühl der Topstars atmen. Allerdings nur, wenn man auch wirklich Hotelgast ist, denn die Bar steht ausschließlich Gästen und „Members" offen. Dafür hat man dann vielleicht die Chance, Angelina oder Drew Barrymore, die neulich auch hier schlief, einen trockenen Martini zu spendieren. Wer so was für abgeschmackt hält, Luxus als kapitalistische Fessel empfindet und auch nächtens der Kultur zugewandt ist, der entscheidet sich vielleicht für das ehemalige Künstlerheim Luise, das sich gerne ein „Museum zum Übernachten" nennt. Zu DDR-Zeiten war das klassizistische Haus als Künstlerclub Die Möwe bekannt, in dem Menschen wie Jean-Paul Sartre, Klaus Kinski oder Sophia Loren ein und aus gingen. Nach der Wende entstand so eine Art selbst verwaltetes Künstlerhotel mit Ateliers und riesiger Wohnküche Heute herrscht bei Luise geregelter, aber kultivierter Hotelbetrieb, der Lärm der S-Bahn ist durch eine Hofverglasung verbannt - vor allem aber ist jedes Zimmer von einem anderen Künstler gestaltet worden. Dafür, dass man in manchen Räumen noch wie zu DDR-Zeiten auf eine Dusche im Zimmer verzichten muss, wird man allerdings entschädigt, wenn man zum Beispiel in Vincent's Room lebt. Das Zimmer ist gestaltet wie jenes, das van Gogh als seinen Raum in Arles malte. Einziger Unterschied: van Gogh verfügte über zwei Kopfkissen. Damit sich die Jugend cool fühlt, heißt es Kabine statt Zimmer Das junge, nein, sehr junge, internationale Berlin verlangt nach Begegnung und Kommunikation und natürlich auch nach einem billigen Tarif, weshalb sich in der Hauptstadt eine große Zahl von Hostels etablieren konnte. Viele davon sind im Ikea-lvar-Charm mit Kiefernholzbetten eingerichtet. Wer im „Heart of Gold"-Hostel übernachtet, steigt gleichzeitig ein ins Raumschiff des Kultromans „Per Anhalter durch die Galaxis", weshalb die Zimmer Kabinen heißen und die Rezeption Brücke. Die Hostels liegen vorzugsweise in Friedrichshain, Mitte, Prenzlauer Berg und Kreuzberg, dort, wo man nach dem letzten Bier nur noch zweimal umfallen muss und dann in seinem Zwei-, Drei- oder Vielbettzimmer zu relativer Ruhe kommen kann. Natürlich gibt es auch Kinder reicher Eltern, die lieber ganz blasé in einem der Hotels mit den vielen Sternen nächtigen. Das Adlon ist nach wie vor das beste Haus der Hauptstadt, und der Service ist wirklich immer freundlich, was für Berliner Verhältnisse eigentlich an eine Unmöglichkeit grenzt. Allerdings ist die wilhelminisch-historistische Lobby mit ihren Sofas, Freitreppen und dem angeblich beim Wiederaufbau des Hotels unter dem Schutt wiederentdeckten Springbrunnen nichts für Plüschabstinenzler. Zu den Luxuskonkurrenten ist mit dem Hotel de Rome am Bebelplatz ein weiterer hinzugekommen. Wer sich die Zimmer nicht leisten kann, der setzt sich wenigstens für ein Stündchen in die strengen, schwarzen Sesselchen und genießt die hervorragenden Eigenkompositionen der Bar. Das Publikum allerdings ist nicht zwingend glamourös, sondern eher vertreter- oder kongresshaft. Einen Abglanz vom Glamour kann man im Schlosshotel Grunewald noch fühlen, zumindest wenn man Sönke Wortmanns „Sommermärchen"-DVD im Reisegepäck mit sich führt. In der Villa im Grunewald wohnten „unsere" Kicker während der Weltmeisterschaft. Sessel mit fein gewundenen Goldfüßchen wichen damals breithüftigen Sitz- und Liegelandschaften, im Garten spielte man Tischtennis. Jetzt geht es wieder gesitteter zu. Die Zimmer hat Karl Lagerfeld gestaltet, und an ihrer Üppigkeit ist zu sehen, dass das war, bevor er abgenommen hat. Ein neuer Trend in der Hauptstadt sind luxuriöse Apartments, in die man sich vorzugsweise länger - zum so genannten long stay - einmieten kann. Auch hier schwebt stets das ungegebene Versprechen im Raume, es könnte sich ja nebenan ein berühmter Mensch während länger andauernder Dreharbeiten einquartiert haben. Solche Gäste behauptet das Louisa's Place zu beherbergen. Das kleine Hotel am Ku'damm ist im Erdgeschoss sehr intim nach Art eines englischen Clubs eingerichtet. Als Zimmer zur Wahl stehen verschieden große Suiten mit Wäscheservice, Büroservice und eigener Küche, in der aber gerne auch einer der Köche des Hauses etwas für den Gast zubereitet. Es macht sich sehr gut, wenn man zum Lux 11 „eleven" sagt Wer ganz vorne dran sein will, der mietet sich sein Apartment im Lux 11 und sagt nicht Elf, sondern Eleven. Die schön schnörkellos und vor allen in weiß eingerichteten Apartments liegen in einem Wohnhaus sehr zentral im Szeneviertel von Mitte, zu dessen Vorzügen zwei extrem stark frequentierte Einrichtungen im Erdgeschoss gehören. Das eine ist das trendige Hotelrestaurant Shiro i shiro, das andere der Laden von Ulf Haines, in dem es etablierte Designermode zu kaufen gibt. Bestimmt kommen bald Brad und Angelina auf eine Nacht vorbei. Bidunterschrift: Mit dem Bett wird das passende Lifestylegefühl gemietet: futuristisches Design im Q! (oben). In der Luise (links) ist jedes Zimmer ein Kunstwerk, während das gediegene Schlosshotel Grunewald wohl das war, was die deutschen Fußballer während der WM wollten. 10.03.2007; Stuttgarter Zeitung; Wochenendbeilage; Hier hat Brad Pitt geschlafen - Berliner Hotels sollen Lebensgefühl vermitteln; Rubrik: Stil Leben; Seite 44; von Katja Bauer